Leitprojekt-Konzept
Das Projekt wurde in Bochum, einer Stadt mit 380000 Einwohnern mitten im Ruhrgebiet, mit 4 Gruppen einer Kindertagestätte im Alter von 3 bis 6 Jahren durchgeführt. Es kann vom Prinzip her leicht auf andere Städte und Dörfer übertragen werden. Die Unternehmungen und Aktionen können nach Bedarf an die Situation vor Ort angepasst, verändert oder erweitert werden. Während im Ruhrgebiet die Industriekultur als ein Thema herangezogen wurde, könnte z.B. in Hamburg der Hafen ein Thema sein.
Ein Projekt über die Heimatstadt schärft den Blick der Kinder über die Erfahrungen in ihrem eigenen Alltag hinaus für die eigene Stadt und deren Entwicklung. Es können unterschiedliche Interessen und Bildungshorizonte der Kinder geweckt und gefördert werden: Naturwissenschaften, Kunst, Theater, Sport, Handwerk, Musik, öffentliche Verkehrsmittel, räumliches Denken. Durch das Projekt können sich die Kinder mit ihrer Heimat identifizieren, sich zu Hause fühlen und sich für die Umwelt, Bewohner und Kultur interessieren. Zusammen lernen die Kinder ihre Heimat kennen und erleben ihre Stadt als vielfältig und spannend. Sie erfahren, dass vieles in der Gemeinschaft Spaß macht oder nur gemeinsam möglich ist. Das schafft die Grundlage für nachhaltiges Denken: das was ich kenne und schätze, kann ich auch schützen und beschützen.
Die Umsetzung kann ganz unterschiedlich aussehen, je nach Heimatort oder Interesse der Kinder. Hier ist nur eine kleine Auswahl möglicher Themen aufgezählt:
- Geologische Geschichte einer Stadt
- Kultur/Geschichte in einer Stadt
- Menschen der Stadt
- Verkehr in der Stadt
Exemplarisch wird das Thema „Geologische Geschichte einer Stadt“ am Beispiel der Stadt Bochum beschrieben. Bochum liegt mitten im Ruhrgebiet: hier bestimmte der Abbau der Steinkohle bis in die späten 80er das Leben und das Stadtbild der Bochumer. Noch heute gibt es viele Fördertürme, alte Bergbausiedlungen und still gelegte Zechen werden als Kulturstätten und Industriedenkmäler umgestaltet. Im Folgenden werden Aktionen beschrieben, die das Thema „Geologische Vergangenheit unserer Stadt“ von verschiedenen Seiten beleuchten.
Aktion 1: Gestaltung eines Stadtplanes:
Die Gestaltung eines Stadtplans schult das räumliche Denken der Kinder und gibt den ErzieherInnen einen Überblick über die Interessen und das Wissen der Kinder. Bei der Gestaltung des Stadtplanes können neue Impulse entstehen, die an verschiedenen Stellen aufgegriffen werden können. So ergab sich z.B. ein sehr großes Interesse für den Fußballverein VFL Bochum, das wiederum für das Thema Menschen in Bochum von Bedeutung wurde. Auf einer großen, bunten Pappe gestaltet jede Gruppe ihren eigenen Stadtplan. Die Darstellung des Stadtplanes liegt ganz in den Händen und Ideen der Kinder und kann ganz unterschiedlich geschehen: malen, zeichnen, basteln oder Fotos aufkleben.
Aktion 2: Gesteine aus Bochum – mit den Kindern forschen
Für den Aspekt „Geologie unserer Stadt“ wurden zwei Geologinnen in die Kindertagestätte eingeladen. Sie haben ein museumspädagogisches Konzept entwickelt, in dem die Kinder altersgerecht einen Einblick in die geologische Vergangenheit der Stadt Bochum bekommen. Dabei ordnen und sortieren die Kinder in einem ersten Schritt die Gesteine ihrer Stadt. Dann werden nach Spuren oder sonstigen Hinweisen in den Gesteinen gesucht, die uns helfen die „Geschichte“ unserer Gesteine zu entschlüsseln. Wie richtige Detektive der Vergangenheit werden Fragen gestellt: Gibt es Fossilien in den Gesteinen? Wenn ja, wo haben diese Fossilien früher einmal gelebt? Gibt es Fossilien, die im Meer gelebt haben? Gibt es Gesteine, die besonders wertvoll für die Menschen sind? Wie sah es in unserer Stadt vor Millionen von Jahren aus? Haben hier mal Haie oder Dinosaurier gelebt?
Aktion 3: Fördertürme in unterschiedlichen Variationen
Fördertürme sind das Wahrzeichen des Ruhrgebiets. Sie sind aus Stahl und manchmal eingemauert (sogenannte Malakow Türme), sie sind groß und grün oder rot. Oft besitzen sie zwei Förderräder, manchmal vier oder nur ein Rad und es gibt sie heute im Ruhrgebiet immer noch wie „Sand am Meer“. So unterschiedlich wie die Fördertürme aussehen, so unterschiedlich können sie auch von den Kinder gestaltet werden: gemalt, als Fensterbild, in Gips gegossen oder Zahnbürstenspritztechnik.
Aktion 4: Glückauf, der Steiger kommt
Ein echter Bergmann, der „von der Pike auf“ im Steinkohlebergwerk gelernt hat, kommt zu Besuch und erzählt vom Abbau der Steinkohle in den Stollen. Beeindruckend ist nicht nur die Erscheinung des Bergmannes in seiner original Bergmannskluft, sondern auch die vielen Dinge, die er mitgebracht hat: verschiedene Abbauhämmer, den „Dicken Motek“ (10 kg schwerer Hammer) zum Feststellen der Stempel unter Tage, Öl-, Benzin- und Kopflampen, Bügelsäge, Beil und vieles mehr. Alle Geräte dürfen von den Kindern ausgiebig betastet, gehoben und untersucht werden.
Aktion 5: Zeche Knirps – der Bergwerksspielplatz
Das LWL-Industriemuseum „Zeche Hannover“ hat ein Museumskonzept für Kinder entwickelt, bei dem die Kinder das Leben und die Arbeit der Bergmänner unter Tage erleben können. Bei einer museumspädagogischen Führung dürfen die Kinder alles in die Hand nehmen, was ein Bergmann für seine Arbeit benötigt: Hammer und Schlegel, Grubenlampe und Grubenhelme. Vieles kennen die Kinder bereits und können den Sachen die richtigen Namen geben und deren Bedeutung erklären. Das Spannendste ist die sogenannte „Zeche Knirps“, ein Kinderbergwerk (Nachbau der Zeche Hannover) in dem die Kinder in die Rolle der Bergmänner schlüpfen können. In der „Zeche Knips“ können die Kinder an verschiedenen Stationen allen wesentlichen Arbeitsschritte des echten Bergbaus erleben: mit einer von zwei Kindern pedal-angetriebenen Förderanlage und einer Lorenhängebahn, die mehrere Kinder gemeinsam durch die Stollen schieben müssen, erfahren die Kinder, wie die Kohle von unter Tage an die Oberfläche gefördert wurde. Besonders schön ist die Erfahrung, die die Kinder hier gemacht haben: „Nur im Team ist man stark!“ „Ich kann gar keine Pause machen, denn dann können die Anderen nicht arbeiten!“
Aktion 6: Geologischer Garten – Kohleflöz in der Natur
Im geologischen Garten bekommen die Kinder einen guten Einblick in die Gesteine von Bochum. Hier sieht man unter der Bodendecke einmal richtiges „Bochumer“ Gestein. Beeindruckend sind die bis zu 4 m hohen Felswände. Früher wurde hier einmal Steinkohle abgebaut. Heute ist der geologische Garten als Geotop ausgezeichnet und steht unter Naturdenkmalschutz.
Aktion 7: Deutsches Bergbaumuseum
Nachdem die Kinder bereits eine ganze Menge über Kohle und Fördertürme erfahren haben, gibt es in Bochum die Möglichkeit, einmal unter Tage zu fahren. Im deutschen Bergbaumuseum kann ein nachgestelltes Untertagebergwerk besucht werden. Im Bergwerk haben die Kinder ganz unterschiedliche Eindrücke gesammelt:
- „Hier ist es wirklich fast dunkel und ich brauch jetzt so eine Grubenlampe.“
- „Die Tunnel sind aber lang.“
- „Schau mal, wir laufen auf Kohle.“
- „Kohle bröckelt und zerbricht.“
- „Große Maschinen, die die Tunnel gebaut haben, sind mächtig laut“
Abschluss:
Die Auswahl der Aktionen war von Beginn des Projektes nicht geplant. Fest eingeplant waren lediglich die Einladung der Geologinnen und ein Besuch im Bergbaumuseum. Alle weiteren Aktionen ergaben sich durch das starke Interesse und Impulse der Kinder und Ideen der Eltern. „Ich kenne etwas, dass könnte euch interessieren“ oder „Ich kenne einen, der hat im Bergwerk gearbeitet“.